Giebel am Historischen Rathaus

Die Pflugfabrik & Karl Schrem

Foto von Karl Schrem um 1960

Der Kaufmann und Eisenwarenhändler Johann Georg Dobler gründete im Jahre 1891 die Bayerische Pflugfabrik in Landsberg. Diese Fabrik entwickelte sich zum größten Industrieunternehmen Landsbergs. Die Landsberger Pflüge waren sehr bekannt und weltweit im Einsatz. 1903 erweiterte Dobler die Fabrik zur "Oberbayerischen Pflugfabrik Johann Georg Dobler GmbH". 1915 schied Dobler aus der Firma aus, die nun in eine Aktiengesellschaft unter dem Namen "Bayerische Pflugfabrik AG Landsberg am Lech" überging. 1921 vereinigte sich diese Firma mit der "Münchner Eggenfabrik AG München-Pasing", 1932 wurde das Pasinger Werk nach Landsberg verlegt. Seit 1975 gehörte die Fabrik zur Alois Pöttinger Maschinenfabrik GmbH. Im Jahre 2011 wurde die Produktion eingestellt und das Gelände 2014 an einen Investor verkauft.

Karl Schrem war von 1938 bis 1967 Direktor der Bayerischen Pflugfabrik in Landsberg. Auf dem Gelände der ehemaligen Pflugfabrik entsteht derzeit das Wohnquartier "Urbanes Leben am Papierbach".

Karl Schrem wurde am 9. Juni 1895 in Ulm an der Donau geboren. 1923 trat er in die "Vereinigte Landsberger Pflug- und Münchener Eggenfabrik AG" in Pasing ein. Schrem zog nach Landsberg, als die Produktion des Werkes Pasing 1932 nach Landsberg verlegt wurde. Der gelernte Industriekaufmann stieg im Unternehmen mit etwa 400 Arbeitern rasch auf und leitete es ab 1938 als Direktor. 1942-1943 führt Schrem zusätzlich zu seiner Funktion in der Landsberger Pflugfabrik "auf Befehl des Rüstungsinspekteurs im Wehrkreis VII" das Eisenwerk Annahütte Hammerau mit 2.500 Arbeitern "vollkommen selbständig". Wie die Pflugfabrik war auch die Annahütte ein Rüstungsbetrieb. In der Landsberger Pflugfabrik wurden als Ersatz für die zur Wehrmacht eingezogenen deutschen Arbeiter viele deutsche Dienstverpflichtete, zivile Fremdarbeiter, Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und Strafgefangene eingesetzt.

In seinem Meldebogen für das Entnazifizierungsverfahren gab Karl Schrem am 4. Mai 1946 an, er sei ab 1938 Mitglied in der NSDAP gewesen, aber habe "keinen Rang oder kein Amt" ausgeübt. Ebenfalls Mitglied aber ohne Rang oder Amt war er in der Deutschen Arbeitsfront (DAF), in der Nationalsozialistischen Arbeitsfront (NSV) und im Stahlhelm (bis 1934). Sich selbst stufte er in dem Fragebogen als Mitläufer ein.

Entnazifizierung in Landsberg

Der Zweite Weltkrieg endete in Landsberg am 28. April 1945. Zu den ersten Maßnahmen der US-Militärregierung gehörte es, Kriegsverbrecher und die höchsten Ränge der Nationalsozialisten mit Hilfe der deutschen Polizei ausfindig zu machen und in Lagern zu internieren („Automatic Arrest“). Weitere aktive Nationalsozialisten mussten von ihren Arbeitgebern entlassen werden bzw. durften als Selbstständige nicht in führender Position tätig sein. Die deutsche Verwaltung hatte die aktiven Nationalsozialisten mit ihren Funktionen in der Partei listenmäßig zu erfassen. Die Militärregierung entschied dann, welche Personen zu entlassen waren.

Ab 1946 übernahmen die deutschen Spruchkammern die „personelle Säuberung“ auf der Grundlage des Befreiungsgesetzes. Die Spruchkammern reihten die Mitglieder der NSDAP und ihrer Organisationen mit Hilfe von Meldebögen in fünf Gruppen ein:
I. Hauptschuldige, II. Belastete, III. Minderbelastete, IV. Mitläufer und V. Entlastete. Als Strafen sind vorgesehen für die Gruppen I bis III: Einweisung ins Arbeitslager, Einziehung des Vermögens, Pensionsverlust, Gehaltskürzungen, Arbeitsbeschränkungen und Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, für die Gruppe IV: Geldbußen. Die Spruchkammer Landsberg bearbeitet insgesamt 43. 032 eingereichte Entnazifizierungs-Meldebögen (aus dem Landkreis). Als nicht vom Gesetz betroffen eingestuft werden 72,4 %. Die Kammer leitet dann gegen 11. 874 Personen das Verfahren ein. Von den 1308 ergangenen Sprüchen entfallen auf:
Gruppe I Hauptschuldige keine Betroffenen
Gruppe II Belastete 5 % (42)
Gruppe III Minderbelastete 22 % (174)
Gruppe IV Mitläufer 69 % (549)
Gruppe V Entlastete 4 % (33).

Das Entnazifizierungsverfahren Karl Schrem

Nach den Ermittlungen der Spruchkammer Landsberg soll Karl Schrem laut Auskunft der Militärregierung vom 29.08.1946 "Ausländer misshandelt" haben, "bzw. behandelte sie sehr schlecht". Schrem soll auch Akten der NSDAP-Kreisleitung in der Pflugfabrik verbrannt haben. Der Vorsitzende des Betriebsrates gab am 19.08.1946 zu Protokoll, Schrem sei für die NSDAP im Betrieb nicht aufgetreten. Schrem habe "Arbeiter (Deutsche wie Ausländer) "sehr streng behandelt". Schrem sei am 31. Januar 1946 entlassen worden. Schrem war danach monatelang bei der Firma Lutz, Baugeschäft, "auf dem Judenfriedhof" beschäftigt. Die Polizei gibt der Spruchkammer am 10.08.1946 die Auskunft, Schrem sei vom 10. bis 24.05.1945 wegen "angeblicher Schikane von Ausländern, die in seinem Betrieb beschäftigt waren", in Haft gewesen. Schrem sei Vertrauensmann für den Abwehrdienst bei der Pflugfabrik gewesen und habe ein hohes Einkommen bezogen. Er sei als "guter Nazi" anzusprechen.

Aufgrund der Ermittlungen erhob der öffentliche Kläger bei der Spruchkammer Landsberg am 16. September 1946 Klage gegen Karl Schrem und beantragte, ihn in die Gruppe I (Hauptschuldige) des Gesetzes zur Befreiung vom Nationalsozialismus und Militarismus einzureihen. Der Kläger beschuldigte Schrem, er habe mit seinen NS-Mitgliedschaften Sympathien für den Nationalsozialismus gezeigt, durch das System persönlich finanziell profitiert, habe ausländische Zivilisten und Kriegsgefangene völkerrechtswidrig behandelt und mit der Gestapo und ähnlichen Organisationen zusammengearbeitet.

Karl Schrem beauftragte zwei Rechtsanwaltskanzleien mit der Wahrung seiner Interessen. Mit Hilfe der Kanzleien legte er eine Vielzahl von Zeugenerklärungen und Dokumenten vor, die die Vorwürfe entkräften sollen. Die Klageerwiderung umfasste ohne Anlagen 17 Seiten. Der Hauptwachmeister des Strafgefängnisses Landsberg beispielsweise bescheinigte Schrem am 2. Januar 1947, er habe dem Arbeitskommando von Strafgefangenen, das in der Kriegszeit in der Pflugfabrik arbeiten musste, "eine gute Zusatzverpflegung in Form von Wurst, Käse, Brot und Bier" gewährt. Schrem habe einen "extra Aufenthaltsraum für die ausländischen Arbeiter und die Gefangenen eingerichtet", der sogar geheizt gewesen sei. Eine Misshandlung von Gefangenen sei nie vorgekommen. Die Strafgefangenen hätten sogar Schutzkleidung bekommen. Auch französische Strafgefangene hätten die gute Behandlung und die zusätzliche Verpflegung bei der Pflugfabrik Landsberg gelobt. Zum Vorwurf, er habe Ausländer misshandelt, gab Schrem ein Rundschreiben aus dem Jahr an die Spruchkammer. Schrem wandte sich darin an alle Abteilungsleiter und Meister in der Annahütte Hammerau. Ausländische Arbeiterinnen und Arbeiter hätten sich bei Schrem über "nicht immer einwandfreie Behandlung" in der Annahütte beschwert. Die "ausländischen Gefolgschaftsmitglieder" seien unbedingt korrekt zu behandeln. Ukrainer hätten es am schwersten, da sie "keinen freien Ausgang und keine Bewegungsfreiheit" hätten. Besonders bei den "ausgezeichneten Arbeiterinnen" aus der Ukraine könne man den Wunsch verstehen, am Sonntag "spazieren geführt zu werden". Eine Ausgangssperre dürfe nur er erheben, Schlägereien innerhalb des Betriebes dulde er überhaupt nicht. Zu dem Vorwurf der Aktenvernichtung der NSDAP-Kreisleitung kurz vor Kriegsende versicherte Schrem in einem Schreiben an die Militärregierung am 31.03.1946, er habe davon keine Ahnung gehabt. Zum Vorwurf, er habe vom System profitiert, legte Schrem Dokumente vor, die besagten, das Gehalt für die Leitung der Annahütte sei vom Gauarbeitsamt festgelegt worden. Die Funktion als Generalunternehmer für die Heereshufeisen habe er abgelehnt. Viele (ehemalige) Beschäftigte der Pflugfabrik konnten laut Aktenlage von Karl Schrem als Direktor der Pflugfabrik nur das Beste berichten. Schrem sei kein Nazi gewesen und habe alle Arbeiter und Arbeiterinnen gut behandelt.

In der öffentlichen Sitzung der Spruchkammer Landsberg am 7. Januar 1947 bestreitet Karl Schrem, jemals Ausländer misshandelt zu haben. Er habe für alle getan, was er konnte, Rauchwaren verteilt, für gute Unterkunft, Verpflegung und Kleidung gesorgt. Er habe sich vom kaufmännischen Lehrling hochgearbeitet bis zum Direktor und habe von seiner Parteimitgliedschaft nicht profitiert. Zur Mitgliedschaft in der NSDAP sei er gezwungen worden, man habe ihn bedroht. Er habe befürchtet, seinen Posten als Direktor zu verlieren. Er habe nichts davon gewusst, dass Akten der NSV und der NSDAP-Kreisleitung in den Schmiedeöfen der Pflugfabrik kurz vor Kriegsende verbrannt wurden.

Die Spruchkammer Landsberg stufte Karl Schrem aufgrund der Beweisaufnahme in die Gruppe IV der Mitläufer ein. Er habe glaubwürdig gemacht, niemals ausländische Arbeiter misshandelt oder schlecht behandelt zu haben. Er habe auch nicht mit der Gestapo zusammengearbeitet. Er sei nicht Nutznießer des Systems gewesen. Bei Festsetzung der Sühne fiel laut Spruchkammer "erschwerend ins Gewicht, dass Karl Schrem eine angesehene und einflussreiche Stellung innehatte und somit doppelt verantwortlich war, dass er - wenn auch nur als Mitläufer - am Nationalsozialismus teilgenommen hat." Es wurden ihm folgende Sühnemaßnahmen auferlegt: Er hatte einen Sühnebetrag von 2.000 Reichsmark an einen Wiedergutmachungsfonds zu leisten und die Kosten des Verfahrens selbst zu tragen. Der Streitwert wurde mit 46.000 Reichsmark festgesetzt.

Spruchkammerverfahren werden heute kritisch betrachtet.

Nachkriegsjahre

Im Jahre 1960 erhielt Karl Schrem anlässlich seines 65. Geburtstages für seine Verdienste um die Stadt Landsberg am Lech den Goldenen Ehrenring. Im gleichen Jahr wurde er auch Träger des Bundesverdienstkreuzes Erster Klasse für seinen Beitrag beim wirtschaftlichen Aufschwung in der deutschen Industrie und auf dem Exportmarkt. Der bayerische Ministerpräsident Alfons Goppel verlieh Karl Schrem im Jahr 1971 den Bayerischen Verdienstorden.

 

Quellen:

Staatsarchiv München: Spruchkammern Karton 3160 Karl Schrem (geb. 09.06.1895)

Stadtarchiv Landsberg am Lech: Verleihung des Goldenen Ehrenringes an Karl Schrem (geb. 09.06.1895 in Ulm, gest. am 26.06.1981 in Landsberg), Direktor i. R. der Bayerischen Pflugfabrik Landsberg, NA-1550

Landsberger Tagblatt vom 8. Juni 1960: Karl Schrem - Ausgeprägte unternehmerische Initiative mit sozialer Einstellung

Literatur

Wolfgang Daum: Entnazifizierung in Landsberg. Das Befreiungsgesetz vom 5. März 1946 und seine praktische Durchführung, Landsberg 1996

Georg Ringmayr: Die Geschichte der Bayerischen Pflugfabrik Landsberg, in: Landsberger Geschichtsblätter 2018, S. 161