Klözenbrot und Kuttelfleck - Brauchtum rund um Weihnachten
In der ländlichen Region um Landsberg war der gesamte Jahresablauf bis ins 20. Jahrhundert durch viele kirchliche Feiertage geprägt. Im Advent (von lat.: adventus „Ankunft“) begann die Zeit der Vorbereitung auf Weihnachten, auf die Ankunft des Herrn. Der größte Teil des geschilderten Brauchtums ist Geschichte. Glaube und Aberglauben, Ängste vor Hexen und bösen Mächten, strenge Konventionen, vieles davon ist uns heute fremd. Dies alles hatte aber wichtige ordnende und soziale Funktionen und gab den Menschen Sicherheit im Umgang miteinander.
Die geheimnisvollste Zeit des Jahres bildeten die Zwölf Nächte von Heilig Abend bis Heilig-Dreikönig. Früher wurde in dieser Zeit das heidnische Fest der Wintersonnenwende (Julfest) gefeiert. In der Zwölferzeit hatten gute Geister und böse Kräfte besonderen Einfluss auf Mensch und Vieh, es wurde kein Gericht gehalten, jeder Streit sollte ruhen und den Armen gab man reichlicher als sonst im Jahr. An diesen Tagen kamen die Verstorbenen auf die Erde um zu sehen, ob die Lebenden einen gottgefälligen Lebenswandel führten.
Mit dem ersten Donnerstag im Advent begann die Zeit der „Klepflsnächte“. Alle Kinder, auch die der reicheren Bauern, liefen umher und bettelten in den Häusern um eine kleine Gabe in Form von Äpfeln, Nüssen, Brot oder Schmalzgebäck. Sie klopften mit einem hölzernen Hammer an Türen und Fenster oder warfen Erbsen, Linsen oder kleine Steinchen dagegen. Dann riefen sie Reimsprüche wie:
„Heute ist heilige Klöpflesnacht, wer die Kinder gerne hat, kommt heraus aus seinem Haus und bringt uns was zum Schlecken raus!“
Ein seit dem 15. Jahrhundert belegter Brauch, er soll an das Heilige Paar Maria und Josef erinnern, als es in Bethlehem vergeblich an die Häuser klopfte, um eine Herberge zu finden. Er erinnert aber auch an die Pestzeit, als die Sondersiechen (Erkrankte, die außerhalb der Stadtmauern leben mussten) in der Woche vor Weihnachten mit einer Klapper oder einem Glöcklein in der Stadt herumgehen und Almosen erbetteln durften.
Der Nikolaustag am 6. Dezember war ein allgemeiner Festtag. Aber für die Kinder auch ein Tag mit Angst und Schrecken, wenn sie das vergangene Jahr nicht brav gewesen waren. Da kam der Heilige Nikolaus („Seneclos“) in die Häuser und beschenkte die braven und bestrafte die bösen Kinder. Knecht Ruprecht („Klaubauf“), in Pelz gehüllt und mit klirrenden Ketten angetan, begleitete ihn und war fürs Grobe zuständig.
Trotz Verbotes fanden viele junge Männer beim „Klausentreiben“ Spaß daran, in furchterregender Kleidung mit Gerassel und Peitschenknall durch die Orte zu ziehen, Angst und Schrecken zu verbreiten und mit ihren Ketten gegen Türen und Fensterstöcke zu schlagen.
„An Sancta Lucia ist der Abend dem Morgen nah!“ Die Heilige Lucia – die „Leuchtende“ - schmuggelte mit einem Lichterkranz auf dem Kopf Nahrung zu den verfolgten Christen in die Katakomben von Syrakus. Die Nacht zum Lucientag (13. Dezember) auch Mittwintertag oder Tag der Wintersonnenwende genannt, galt bis in Jahr 1582 als die längste des Jahres. Dann wurde durch Papst Gregor den XII. ein neuer Kalender eingeführt, mit dem auf den 4. Oktober einmalig der 15. Oktober folgte. Durch diese Verschiebung wurde nun der 21. Dezember der kürzeste Tag des Jahres.
In den Rauchnächten (Rauhnächten oder Losnächten) zum 21. Dezember (Sankt Thomas), 25. Dezember, 1. Januar und 6. Januar erforschte man die Zukunft, weil in diesen Nächten eine innigere Verbindung zur Geisterwelt empfunden wurde. Nach dem Abendläuten wurden Haus und Stall ausgeräuchert. Man zerrieb Sangen (große getrocknete Kräuterbuschen) zu Pulver und vermischte dieses mit Kranbeeren (Wacholderbeeren) und Weihrauch. Zuvor musste man schon gemolken haben, denn nach dem Räuchern durfte niemand mehr in den Stall.
Am 24. Dezember, Heilig Abend, ging man um vier Uhr nachmittags in den Vespergottesdienst. Bei der Stallarbeit durfte an diesem Abend kein Wort fallen, damit die guten Geister nicht daraus verscheucht wurden, dann wurde wieder Haus und Hof geräuchert und mit Weihwasser besprengt. Tagsüber wurde gefastet, am Abend gab es ein einfaches Mahl aus Käse, Brot und Bier. Danach wurde in der Bibel gelesen oder Blei gegossen. Aus den Formen, die daraus entstanden, versuchte man die Zukunft zu lesen. In dieser Nacht gingen manchmal arme Bauern mit ihren Kindern durchs Dorf und sangen gegen kleine Gaben Weihnachtslieder. Man grub noch vor der Mitternachtsmette etwas Stroh in den Misthaufen ein, welches nach der Heiligen Messe wieder ausgegraben wurde. Dann gab man es dem Vieh zu fressen, damit es gegen Seuchen im kommenden Jahr gewappnet war. Einige Körner vom letztjährigen Weizen nahm der Bauer in der Joppentasche mit zur Mette. Nach dem Gottesdienst streute er sie auf den Stallboden, damit die Schwalben im Frühjahr wieder hereinkamen und Glück in den Stall trugen. In der Mette konnte derjenige die Hexen des Dorfes erkennen, der auf einem Schemel aus neunerlei Holz mit dem Rücken zum Altar saß. Am besten streute er sich dazu noch von einem frischen Grab etwas Erde auf den Kopf, das machte ihn für die Hexen unsichtbar. Sonst wäre er auf dem Nachhauseweg noch womöglich von den Hexen überfallen worden.
Am 25. Dezember um zwölf Uhr nachts begann die Mette, zu der man im guten Sonntagsgewand ging. Nach der Mette wurde um zwei Uhr morgens Braten und Bier gereicht, dann ging man erst zu Bett. Nach der zweiten Messe gab es Morgensuppe, dann legte man die kostbare Festtagstracht an. Der folgende Gottesdienst wurde besonders feierlich gehalten und die Kirche war festlich geschmückt. Mittags gab es das Hauptmahl: Plunzen (Blutwurst), Kuttelfleck (Vormagen in Streifen geschnitten), gesottenes und gebratenes Fleisch, Sulz und Bier, alles im Überfluss. In einem guten Bauernhaus brauchte man zu den drei Mahlzeiten mindestens vierzig Pfund Fleisch. Die größeren Bauern hatten für Weihnachten immer eine „Meddasau“ schlachten lassen, die über die Feiertage verzehrt wurde. Drei bis vier Kleinbauernfamilien legten zusammen und kauften eine Kuh, die geschlachtet wurde. Doch sollte man nicht vergessen: Fleisch gab es nur „alle heiligen Zeiten“: also an Ostern, Pfingsten, an Fastnacht, Kirchweih und Weihnachten. Nach dem Vespergottesdienst ging man ins Wirtshaus, trank ein oder zwei Maß Bier, aß einige Brezen dazu, ging aber wieder zeitig heim zu einem üppigen Abendessen, ähnlich wie am Mittag. Danach wurde in der Bibel gelesen oder der Rosenkranz gebetet. Eine wichtige Rolle spielten auch die weihnachtlichen Backwaren: Klözenbrot, Leblaib und Lebzelten. Das Klözenbrot, aus Brotteig und gedörrten Birnen bestehend und mit etwas Brandwein verfeinert, brachte meist schon der Nikolaus. Der Leblaib ähnelte dem Klözenbrot, nur dass der Brotteig überwog. Lebzelten (Lebkuchen) wurde an Weihnachten, Heilig-Dreikönig und an Lichtmess (2. Februar) gern mit Met (Honigwein) genossen. Das Aufstellen und Schmücken eines Christbaums war Mitte des 19. Jahrhunderts in Bayern übrigens noch unbekannt. Nur in München war dieser Brauch seit Beginn des Jahrhunderts üblich, jedoch nur beim Adel, bei hohen Beamten und in wohlhabenden Bürgerhäusern.
Am 26. Dezember, dem Tag des hl. Märtyrers Stefan, fuhr man nach Landsberg, Dießen, Mering oder Schongau zum Gottesdienst und Krippenschauen, denn die gab es auf dem Lande nicht. Ein besonderes Erlebnis vor allem für die Kinder. Man vergaß ebenso wenig die Wirtshäuser, und auf den Abend kehrte man dann noch im heimischen Dorf ein.
27. Dezember: Feiertag des hl. Johannes Evangelist. Im Gottesdienst wurde der Johannessegen gegeben und den Gläubigen geweihter Wein gereicht.
Der Tag des hl. Sylvester, der 31. Dezember, und der 1. Januar, Neujahr, waren zwar Feiertage, hatten aber nicht die Bedeutung wie heute. Das neue Jahr begann eigentlich erst am 6. Januar, dem Fest der Heiligen Drei Könige. Deshalb auch das große Neujahr genannt. Er war der oberste kirchliche Feiertag nach Weihnachten. Am Vorabend von Heilig-Dreikönig wurde Wasser, Salz und Kreide geweiht. Aus Wasser und Salz wurden Salzsteine hergestellt, mit der Kreide an allen Türen des Hauses und der Stallungen die Anfangsbuchstaben der Heiligen Drei Könige Caspar, Melchior und Balthasar mit der Jahreszahl hingeschrieben, welche als Bannzeichen gegen den bösen Feind und alle Unholden wirken sollten. Diesen Brauch führen heute die Sternsinger in neuer Form seit dem Ende des 1. Weltkrieges weiter, wenn sie alljährlich durch die Orte ziehen und für Kinder in Not sammeln.
Literatur:
Tatjana Husel: Die Knöpflesnacht und andere Geschichte aus dem Lechrain, Egling 1997
Karl von Leoprechting: Aus dem Lechrain. Zur deutschen Sitten- und Sagenkunde, München 1855
Anton Lichtenstern: Lechrainsagen und Heimatgeschichte. Zur Deutung der Sagen Karl von Leoprechtings. In: LG 1994/95, S. 75-88
Bernhard Müller-Hahl: Sagen und Legenden zwischen Lech und Ammersee, Landsberg 1987
Friedrich Panzer: Bayerische Sagen und Bräuche, 1855
Martin Wölzmüller: Der Lechrainer und seine Sprache. Landschaft, Brauchtum, Mundart. Landsberg 1992.
Text: Elke Müller