Lechwehr

Einblicke in das Landsberger Stadtklima

Die Stadt Landsberg am Lech führt seit 2022 mit aktuellem Horizont bis 2025 zusammen mit den drei Nachbargemeinden Apfeldorf, Unterdießen und Fuchstal sowie der Münchener Firma 3D RealityMaps das Projekt „TwinCity3D“ durch. Das Projekt wird durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) über die Förderinitiative mFUND gefördert. Ziel des Projektes ist der Aufbau eines digitalen Zwillings in Form eines virtuellen 3D-Stadtmodells für die Einsatzgebiete Klimaschutz, Verkehrsplanung und Stadtplanung. Aus Befliegungen des Stadtgebietes liegen nun Thermal-Luftbilder vor, deren Analyse einen Einblick in das Stadtklima während sommerlicher Hitzeperioden bieten.
Im Sommer 2022 wurde die erste Befliegung im Rahmen von TwinCity3D durchgeführt. Dabei wurde mit ca. 18 km² des Kernstadtgebietes (ohne Ortsteile) mit einem Ultraleichtflugzeug abgeflogen. Die eingesetzte Elektra One Solar der Landsberger Firma Elektra Solar GmbH ist mit fünf Fotokameras, einer Multispektralkamera und einer Wärmebildkamera ausgestattet. Somit können aus einem Bildflug mehrere Luftbildprodukte erstellt werden auf deren Basis eine Vielzahl von Analysen möglich wird.

„Die Thermalaufnahme 2022 weist eine Auflösung von 50cm auf. Jeder Pixelpunkt zeigt die zum Aufnahmezeitpunkt herrschende Oberflächentemperatur. In einem Geoinformationssystem werden diese Werte klassifiziert. Die Darstellung erfolgt auf einer Farbskala von blau bis rot für kalte bis heiße Oberflächentemperaturen. Um das Stadtklima zu analysieren wurde das Stadtgebiet in eine Honigwabenstruktur aufgeteilt. Die Temperaturen der innerhalb einer Rasterzelle befindlichen Pixelpunkte werden aufaddiert und ein arithmetisches Mittel gebildet. Jede der 100m-Waben zeigt die durchschnittliche Temperatur,“ so Dr. Daniel Broschart von der Stadt Landsberg am Lech.
Die nachfolgende Abbildung zeigt das Ergebnis der Rasteranalyse. Durch die Bildung dieser gröberen Flächen lassen sich Gebiete mit erhöhter Temperatur innerhalb des Stadtgebietes erkennen.
Auf den ersten Blick wird die Bedeutung des Lechs und dessen kühlende Funktion für das städtische Klima deutlich. An einem Sommertag mit um die 26-28 Grad Celsius weisen Naherholungsgebiete wie der Wildpark Temperaturen von unter 20 Grad Celsius auf. Dagegen heizen sich Gebiete wie die Landsberger Industrie- und Gewerbegebiete im Nordwesten deutlich auf. Wohn- und gemischt genutzte Siedlungsflächen weisen mittlere Temperaturbereiche auf, die es im Folgenden auf detaillierten Stufen zu betrachten gilt.

In der nächsten Detaillierungsstufe erfolgt der Blick auf Dachflächen und der dort herrschenden Oberflächentemperaturen. Bei Betrachtung der Thermalaufnahme wird deutlich, wie unterschiedlich sich die Temperaturen auf Dachflächen darstellen. Dachflächen mit Grünstrukturen sind mehrere Grad Celsius kühler. Die Temperaturunterschiede spielen sich dabei in Bereichen von 20-30 Grad Celsius ab. Dachflächen ohne Begrünung heizen sich oft bis über 50 Grad Celsius auf. Gründächer helfen somit deutlich bei der Kühlung der Gebäude und sparen Energie zur Kühlung in den Sommermonaten. Durch die Installation von Photovoltaik-Anlagen kann ebenfalls ein kühlender Effekt erzielt werden. Durch die Thermalaufnahme wird erkennbar, dass PV-Module einen wesentlichen Teil der auftreffenden Hitzestrahlung absorbieren und in der Folge eine kühlere Oberflächentemperatur aufweisen, als dies auf einer Dachfläche ohne PV der Fall ist. PV-Module weisen somit einen doppelten Effekt auf: Die absorbierte Strahlung kann als Strom genutzt werden und gleichzeitig wird durch den kühlenden Effekt für die Dachfläche Energie zur Kühlung des Gebäudes eingespart. Beim Vergleich der untersuchten Gebäude kann die beste Effizienz durch die Kombination aus Gründachstrukturen mit darüber montierter PV-Anlage erzielt werden.
Durch die Anwendung von KI-(Künstliche Intelligenz)-Algorithmen wurden auf Basis der Luftbildaufnahmen die Grünstrukturen im Stadtgebiet Landsbergs weiter untersucht. Bäume wurden mit KI erkannt, im Stadtgebiet wurden rund 42.000 Bäume mit Kronendurchmesser und Höhe erfasst. Durch die Überlagerung des Thermalbildes mit dem Baumbestand wird der kühlende Einfluss der Vegetationsstrukturen auf die unmittelbare Umgebung erkennbar. Hier kommt der Verdunstungseffekt von Pflanzen zum Tragen. Straßenräume und Plätze mit Alleestrukturen bzw. mit Begleitgrün sind erheblich kühler. Die Temperaturunterschiede durch diesen Effekt belaufen sich innerhalb des untersuchten Luftbildes auf bis zu 11 Grad Celsius.

Diese Erkenntnisse sind auch für die Stadtplanung, insbesondere für die Bauleitplanung von Belang: Im Zuge der verbindlichen Bauleitplanung können diese Punkte beeinflusst werden. Festsetzungen zu Grünstrukturen und Oberflächenbeschaffenheiten müssen auf die neuen Rahmenbedingungen angepasst werden und mit deren Auswirkungen auf das Mikroklima verstärkt in den Fokus rücken.
Als Nebenergebnis wird bei der Analyse des Thermalbildes auch deutlich, wie sich die Fahrzeugfarbe von geparkten Autos auf die Umgebung auswirkt. Dunkel lackierte Fahrzeuge heizen sich nicht nur stärker auf, sondern geben diese Wärme auch an die direkte Umgebung ab.

Über die verbleibende Projektlaufzeit werden noch weitere Befliegungen des Stadtgebietes durchgeführt und die dabei erfassten Luftbilder zu verschiedenen Fragestellungen ausgewertet. Durch die Mehrfachbefliegung können die stadtklimatischen Situationen auch miteinander verglichen und Veränderungen festgestellt werden. Auf diese Weise entsteht ein Monitoring für das Stadtklima und die Auswirkungen zwischenzeitlich umgesetzter Maßnahmen.
Das Zusammenspiel von Bebauung, Stadtgrün und Verkehr wird im Rahmen dieser Analysen herausgearbeitet und als Basis für die Bearbeitung anstehender Aufgabenstellungen herangezogen. Den Mehrwert des Projektes fasst Oberbürgermeisterin Doris Baumgartl zusammen: „Das Projekt TwinCity3D bietet uns die Möglichkeit, wissenschaftlich fundierte Daten zu generieren. Damit können wir auf die klimabedingten Herausforderungen besser reagieren. So kann es gelingen, auch künftig lebenswerte Räume für die Landsberger Bürgerinnen und Bürger zu schaffen.“

Über den mFUND des BMDV: Im Rahmen der Innovationsinitiative mFUND fördert das BMDV seit 2016 datenbasierte Forschungs- und Entwicklungsprojekte für die digitale und vernetzte Mobilität 4.0. Die Projektförderung wird ergänzt durch eine aktive fachliche Vernetzung zwischen Akteuren aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Forschung und durch die Bereitstellung von offenen Daten auf dem Portal mCLOUD. Weitere Informationen finden Sie unter www.mFUND.de.