Lechwehr

Kann das bleiben oder muss das weg?

In Deutschland sind über 400 Straßen nach dem ehemaligen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg (1847–1934) benannt, dazu kommen mehrere Brücken und Parkanlagen. In Landsberg am Lech ist der Hindenburgring Teil einer zentralen Verkehrsader im Westen der Stadt. Ist dieser Straßenname heute noch vertretbar? Wie geht man als Stadt mit belasteten Straßennamen angemessen um? Um diesen Fragen und möglichen Antworten eingehender nachzugehen, waren am Montag, 26. Mai 2025, zahlreiche Bürgerinnen und Bürger auf Einladung der Stadt zu einem Informationsabend in den Festsaal des Historischen Rathauses gekommen. 

Oberbürgermeisterin Doris Baumgartl führte im Rahmen ihrer Begrüßung in das komplexe Thema ein. Dann übernahm Stadtheimatpfleger Prof. Dr. Stefan Paulus die Moderation und eröffnete den Abend, indem er die Podiumsrunde aus fünf renommierten Historikern dem Publikum vorstellte: Prof. Dr. Peter Fleischmann von der Universität Erlangen-Nürnberg, 
Prof. Dr. Annette Eberle von der Katholischen Stiftungshochschule München, Prof. Dr. Wolfram Pyta, Universität Augsburg, Prof. Dr. Günther Kronenbitter, Universität Augsburg, sowie 
Prof. Dr. Jens-Christian Wagner, Direktor der KZ-Gedenkstätten Buchenwald/Mittelbau Dora 
und Historiker an der Universität Jena. 

Über ihre fachlich-historische Bewertung hinaus gaben die vier Experten auch Informationen über praktische Aspekte und Fragen im Fall möglicher Umbenennungen. Seit 2022 befasst sich die vom Stadtrat eingesetzte Expertenkommission intensiv mit belasteten Straßennamen im Landsberger Stadtgebiet. Bei dieser ersten öffentlichen Informationsrunde im Historischen Rathaus ging es neben der Auseinandersetzung um Namensgeber Paul von Hindenburg noch um zwei weitere Personen, welche die Landsberger Stadtgeschichte unmittelbar betreffen: den ehemaligen Leiter des Landsberger Gefängnisses Otto Leybold und den ehemaligen Landsberger Oberbürgermeister Ludwig Thoma. 

Otto Leybold als Gefängnisdirektor in Landsberg
Prof. Dr. Peter Fleischmann erläuterte Hintergründe zur Person Otto Leybolds und gab Einblicke in dessen Haltung und Handlungen während seiner Amtszeit in der Weimarer Republik. Unter anderem hob der Hitler-Experte hervor, wie sich Gefängnisdirektor Leybold als bayerischer Staatsbeamter gegenüber seinem prominentesten Gefangenen verhalten habe, dem er zahlreiche Freiheiten entgegen bestehender Vorschriften gewährte und unter anderem Gespräche mit dessen Besuchern ohne Beisein einer Aufsicht ermöglichte. Leybolds positive Stellungnahme trug wesentlich zur frühzeitigen Entlassung Hitlers aus der Festungshaft in Landsberg am Lech bei.

Die Rolle Ludwig Thomas als stellvertretender Landrat 
Prof. Dr. Annette Eberle berichtete über die Vergangenheit des ehemaligen Oberbürgermeisters Ludwig Thoma, wobei sie sich auf dessen unmittelbares Wirken während der NS-Zeit konzentrierte. So war Thoma als Landrat von Schongau und partiell stellvertretender Landrat in Landsberg unter anderem für Einweisungen in sogenannte Heil- und Pflegeanstalten sowie für Überstellungen in Konzentrationslager zuständig und verantwortete damit auch den Tod zahlreicher Menschen.

Paul von Hindenburg als Unterstützer Hitlers
Prof. Dr. Wolfram Pyta stellte neuere Forschungen zu Paul von Hindenburg vor. Dabei hob er vor allem dessen interne Absprachen mit Adolf Hitler hervor, die zu dessen Machterlangung maßgeblich beigetragen hatten – ein Beispiel für nach außen legitimierte demokratische Prozesse, die durch interne Vereinbarungen unterlaufen wurden.

In einer Art Abschlussplädoyer betonte Prof. Dr. Jens-Christian Wagner die Bedeutung einer reflektierten Auseinandersetzung mit der Geschichte und skizzierte Grundlagen im Umgang möglicher Straßenumbenennungen. Diese sollten aber unbedingt mit entsprechenden Kontextualisierungen einhergehen. Zuvor hatte Prof. Dr. Günther Kronenbitter, der den emeritierten Prof. Dr. Peter Fleischmann als Mitglied der Expertenkommission ablösen wird, darauf hingewiesen, dass unabhängig von der abschließenden Entscheidung des Stadtrates hinsichtlich der Umbenennungen, wichtige Prozesse angestoßen worden seien. Als Beispiel nannte er die Auseinandersetzung mit sich ändernden geschichtlichen und gesellschaftlichen Veränderungen in einer Demokratie. 

Empfehlung des Deutschen Städtetags
Alle Experten machten übereinstimmend deutlich, dass Straßenumbenennungen grundsätzlich möglich seien, wenn sich das Geschichtsbild oder die Bewertung historischer Personen und Ereignisse verändert hätten. Oberbürgermeisterin Doris Baumgartl informierte darüber, dass der Deutsche Städtetag eine Empfehlung ausgesprochen habe, klare Entscheidungsgrundlagen zu schaffen, um das Vorgehen möglicher Umbenennungen transparent und einheitlich zu gestalten.

Die Expertenrunde und der sich anschließende Austausch mit dem Publikum machten deutlich, dass durch eine offene Diskussion ein Bild geschaffen werde, das aktuell gültige Werte widerspiegelt und unserer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht wird. Straßennamen, so der Tenor dieses Abends, prägen das kollektive Gedächtnis einer Stadt und wirken identitätsstiftend. Sie sollten dem aktuellen Verständnis von Gerechtigkeit, Menschenwürde und gesellschaftlicher Verantwortung entsprechen.
 
Vor einer endgültigen Entscheidung durch den Stadtrat wird es noch eine gesetzlich vorgeschriebene Bürgerbeteiligung in Form einer öffentlichen Auslegung geben. Deshalb werden die einzelnen Gutachten der Historiker zeitnah über die Homepage der Stadt Landsberg am Lech abrufbar sein. Die Kommission wird zudem ihre Arbeit fortsetzen – auf ihrer Agenda steht die fachliche Beurteilung weiterer Straßennamen.