Umbenennung von Straßen

Straßennamen dienen der Orientierung, prägen das Selbstverständnis einer Stadt und sind Teil unseres kollektiven Gedächtnisses. Werden Straßen nach historischen Persönlichkeiten benannt, ergänzt ein ehrenvolles Gedächtnis die klassische Funktion des Straßennamens. Umgekehrt erfahren historische Persönlichkeiten, nach denen eine Straße benannt wird, eine besondere Ehrung und Würdigung.
Im Laufe der Zeit ändern sich Sichtweisen und Wertesysteme von Gesellschaften. Umso wichtiger ist es, immer wieder kritisch zu prüfen, ob die Ehrung einer historischen Persönlichkeit gegenwärtig noch angemessen ist – gerade, wenn neue historische Erkenntnisse zu einem veränderten Bild dieser Personen führen. Diesem Prozess stellen wir uns als Stadt Landsberg am Lech gemeinsam mit unseren Bürgerinnen und Bürgern. Deshalb wollen wir jeden Schritt – ob Beibehaltung, Kommentierung oder Umbenennung – sorgfältig begründen und dokumentieren.
Unser Umgang mit belasteten Straßennamen
Was einst als selbstverständlich galt, muss heute kritisch hinterfragt werden – das ist ein Privileg einer demokratischen Gesellschaft. Es befähigt uns, eine persönliche Haltung einzunehmen und eventuelle Konsequenzen differenziert zu diskutieren. Nur so können wir als Stadtgesellschaft von Landsberg am Lech zeigen, dass wir aus der Geschichte lernen und uns zu den Werten der Demokratie, der Menschenrechte und der Vielfalt bekennen.
Gerade in Zeiten, in denen demokratische Werte zunehmend unter Druck geraten, ist es wichtiger denn je, sich mit unserer Geschichte kritisch auseinanderzusetzen. Der Umgang mit belasteten Straßennamen ist Teil dieses demokratischen Prozesses: Er steht für unsere Fähigkeit, zu lernen, ersteht für Dialogbereitschaft und Verantwortung.
Die Stadt Landsberg am Lech stellt sich dieser Verantwortung. In einem transparenten Prozess befassen wir uns aktuell mit Straßenbenennungen, die nach heutigen Maßstäben problematisch erscheinen. Es geht dabei nicht um das Löschen von Geschichte, sondern um bewusste Auseinandersetzung – im Sinne einer lebendigen Erinnerungskultur, die reflektiert, erklärt und einordnet.
Tätigkeit der Expertenkommission
Seit 2022 befasst sich eine vom Stadtrat eingesetzte Expertenkommission intensiv mit belasteten Straßennamen im Stadtgebiet von Landsberg am Lech.
9. Juni 2021: Der Bildungs-, Sozial- und Kulturausschusses des Stadtrats fasst einen Grundsatzbeschluss zur Weiterentwicklung der Erinnerungskultur.
9. März 2022: Der Bildungs-, Sozial- und Kulturausschuss des Stadtrats beschließt die Einberufung einer Expertenkommission, die beauftragt wird, als strittig angesehene Straßennamen einer kritischen, ergebnisoffenen und wissenschaftlich differenzierten Betrachtung zu unterziehen. Die wissenschaftliche Prüfung soll in Empfehlungen bezüglich Straßenumbenennung oder Kontextualisierung münden, die dem Stadtrat als Entscheidungsgrundlage dienen können.
In den Kommissionssitzungen vom 28. April 2022, 29. Juli 2022, 23. Juni 2023 und 13. März 2024 erarbeiteten die Experten einen Kriterienkatalog als Arbeits- und Diskussionsgrundlage. Darüber hinaus wurden Forschungen und Recherchen zu den ersten drei strittigen Persönlichkeiten Otto Leybold, Oberbürgermeister Ludwig Thoma und Paul von Hindenburg vorgestellt. Die Ergebnisse mündeten in die drei ersten Empfehlungen für den Stadtrat zu den Straßen Hindenburgring, Otto-Leybold-Straße sowie Oberbürgermeister-Thoma-Straße.
10. und 17. Juli 2024: In den Stadtratssitzungen wurden diese drei Empfehlungen der Expertenkommission vorgestellt und das weitere Vorgehen diskutiert.
26. Mai 2025: Im Rahmen einer Informationsveranstaltung für Anlieger der drei betroffenen Straßen sowie alle interessierten Bürger und Bürgerinnen stellten die Kommissionsmitglieder und weitere Experten die Empfehlungen vor und beantwortete Fragen.
Mitglieder der Expertenkommission
Prof. Dr. Stefan Paulus, Universität Augsburg, Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte, Stadtheimatpfleger der Stadt Landsberg am Lech
Prof. Dr. Jens-Christian Wagner, Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora und Professor für Geschichte in Medien und Öffentlichkeit an der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Prof. Dr. Peter Fleischmann, Universität Erlangen-Nürnberg, Autor von „Hitler als Häftling in Landsberg am Lech 1923/24“ – scheidet 2025 aus
Prof. Dr. Günther Kronenbitter, Universität Augsburg, Lehrstuhl für Europäische Ethnologie / Volkskunde. Neben seiner Tätigkeit als Mitarbeiter und Dozent an der Universität Augsburg unterrichtete er an der University of British Columbia, den Universitäten Salzburg, Wien und Bern sowie der Diplomatischen Akademie in Wien. Von 2006 bis 2009 lehrte er als DAAD Professor of History an der Emory University in Atlanta.
Sonia Schätz, Museumsleiterin Stadt Landsberg am Lech
Elke Müller, Archivleiterin Stadt Landsberg am Lech
Ursula Schaller, Stadträtin (SPD) und Kulturreferentin
Dieter Völkl, Stadttrat (SPD)
Moritz Hartmann, Stadtrat (Bündnis 90 / Die Grünen)
Karl Greißl, Stadtrat (UBV)
Stellungnahmen der Expertenkommission
Handreichung des Deutschen Städtetags
Der Deutsche Städtetag hat eine Handreichung mit dem Titel "Straßennamen im Fokus iener veränderten Wertediskussion" veröffentlicht. Hier der Link zur Publikation des Deutschen Städtetages